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Dijon, la belle

  • lavieenroute
  • 1. Juni 2024
  • 4 Min. Lesezeit

Wo sich Weinbau und Senf treffen, Geschichte und Lässigkeit, Eleganz und Käse, dort verschwimmen die Unterschiede zwischen nördlichen und südlichen Kulturen. Das Resultat: die vielleicht nördlichste Stadt des mediterranen Raums. Und eine der interessantesten.


Wer am Bahnhof Basel umsteigt, wechselt oft nicht nur den Zug. Ganz hinten im Bahnhof gibt es eine magische Schwelle, die einen unsichtbar innerhalb weniger Meter nach Frankreich teleportiert. An diesem Feiertagswochenende sind wir eindeutig nicht die einzigen hier. Verständlich, denn Frankreichreisen sind ja eigentlich immer eine gute Idee.

 

Wir sind auf dem Weg nach Burgund, genauer gesagt in die Hauptstadt dieser französischen Region, Dijon. Direkt an der TGV-Strecke in Richtung Paris und Marseille gelegen, ist der Weg ab Basel nicht mehr weit, und wir fragen uns, weshalb wir Dijon nicht schon viel früher angesteuert haben. Und das werden wir uns auch noch öfter fragen.

Am Bahnhof Dijon angekommen, scheinen die Sonne und die Schweiz weit weg. Südliche Vibes, eindeutig. Französisch-lässig , elegant, gepflegt, lebendig. Wir spazieren gemütlich durch die Altstadt und beschliessen, dass es Zeit ist für ein gemütliches Lunch. Boeuf Bourgignon scheint uns passend und verspricht nicht zu viel – es bestätigt sich einmal mehr, dass es gar nicht so leicht ist, in Frankreich schlecht zu essen. Auf der Place de la Libération um uns herum geschehen so viele Dinge gleichzeitig, dass wir vor lauter People Watching länger sitzen bleiben. Erstaunlich, diese mediterrane Gelassenheit, immerhin über 400 km vom Mittelmeer entfernt.

 

Wir erkunden die Altstadt weiter, setzen Senf- und Wein-Tasting auf unsere innere To-Do-Liste und bewundern den Stil-Mix aus Gotik, Fachwerk, bunten Dächern und mittendrin auch modernere Bauten, die jedoch im Unterschied zu vielen anderen Städten nicht unangenehm auffallen.
 
Abends sind wir immer noch gut gesättigt vom ausgiebigen Lunch, darum gibt es für uns nur einen kleinen, dünnen, flachen aber dafür brennenden Snack in einer schicken Crêperie namens Suzette, und dort ist der Name Programm. Der Abend endet an einem der vermutlich lebendigsten Orte Dijons, an der Place du Théatre, wo sich mediterrane Szenen abspielen und wo wir in der Bar spontan mit «Bonjour, les Amis» begrüsst werden. Manchmal sorgen die kleinen Szenen für grosses Kino.

Lässig, elegant, grosses Kino.
 
Der nächste Morgen beginnt obszön. Wie nur schaffen es französische Bäcker*innen, konstant dermassen wundervolle Croissants, Pains au Chocolat und sonstige grössere und kleinere Backwaren aus ihrem Ofen hervorzuzaubern? Angetan von diesen Teigträumen machen wir noch eine weitere Entdeckung und stranden in der Markthalle Dijons. Und Markthallen sind so eine Sache.
 
Markthallen sind ein fester Bestandteil des touristischen Programms vieler Städte. Oft sind es austauschbare «Food Courts», selten jedoch sind sie wirklich ein lebender Markt für Locals. Und genau das hat sich Dijon bewahrt. Die Stadtbewohnenden mustern die Waren in der Halle und aussen herum, begutachten den Spargel, diskutieren (vermutlich) über die Preise der Tomaten und vor allem bleiben sie im Zentrum des Geschehens hängen, nämlich in der markthalleneigenen Bar namens La Buvette des Halles.
 
Dort ist es nicht nur akzeptiert, sondern sogar vorgesehen, die soeben an den Ständen erworbenen Snacks zu verspeisen. Je nach Uhrzeit serviert man dazu Kaffee, etwas Kühles oder vielleicht einen Pastis. Rustikal, schnell, echt – wir beobachten das Schauspiel etwas länger als nötig und beschliessen, am nächsten Morgen noch einmal zurückzukehren.
 
Ein Gläschen Wein, Pastis oder eher einen Kaffee?

Das nächste Ziel ist die Cité internationale de la gastronomie et du vin, so etwas wie ein kleines globales Epizentrum der gepflegten französischen Gastronomie, vor allem aber des lokalen Weinbaus. Wir bummeln durch die verschiedenen kleinen Läden, beschäftigen uns mit Kochbüchern und Speisekarten und stranden schliesslich in der Cave de la Cité, wo es viele der lokalen Weine zum Probieren gibt – auf Wunsch begleitet von einer Käseplatte ungekannter Qualität. Mon dieu, es ist noch nicht einmal 13 Uhr und wir sind ausgesprochen zufrieden.
 
Vor lauter Crêpes, Chablis und Café Noir ist die wunderbare Altstadt von Dijon bislang fast ein wenig in den Hintergrund gerückt. Kein Problem, wir rüsten uns im Office de Tourisme mit einer kleinen Broschüre aus, die uns entlang von Eulensymbolen den Weg zu den Sehenswürdigkeiten der Altstadt weist. Wir besuchen eine Station nach der anderen, decken uns unterwegs mit Senf und Schokolade ein und sind nach Station 22 von 22 bereit für eine kurze Pause vor dem Abendessen.
 
Denn gegenüber der Markthalle hat es uns ein kleines Restaurant angetan, das die Küche Burgunds mit einem frischen Anstrich versieht. Wir sind (schon wieder) zufrieden, während wir den Tag über einer Crème Brûlée enden lassen.

Gehört zum Stadtbild: la 2CV.

Der Tag der Abreise ist gekommen, jedoch setzen wir tatkräftig unseren Plan vom Vortag um, noch einmal in der Markthalle ausgiebig Kaffee zu trinken, noch einmal durch die Altstadt zu spazieren und ausser den kleinen Strassen auch verwunschene Innenhöfe voll charmanter, würdevoll alternder Citroëns zu entdecken.
 
Dabei nehmen wir uns vor, wieder einmal in Dijon vorbeizukommen – bald!

Bunt: Dijon ist ein gelungener, sich weiter mischender Mix.
Gut zu wissen

Dijon liegt an der TGV-Strecke zwischen Zürich/Basel und Paris – je nach Buchungslage ist eine Anreise ohne Umsteigen in rund 2,5 Stunden ab Zürich möglich. Der TGV-Bahnhof liegt am Rand der Altstadt, die meisten Unterkünfte sind einen Spaziergang davon entfernt. Wer mehr Gepäck hat, kann innerhalb der Altstadt auch einen kostenlosen Shuttlebus (Linie «City») nutzen.

 

Wir haben uns für das Hotel Des Ducs entschieden, ein einfacheres Hotel mit sehr gutem Preis-Leistungs-Verhältnis. Die Zimmer sind schön, problematisch ist nur ein Faktor, für den das Hotel nichts kann: An den Wochenendabenden finden auf der Strasse vor dem Haus offenbar inoffizielle Beschleunigungs-Tests getunter Autos statt – auch bei geschlossenem Fenster ist es recht laut.
 
Angesichts der Cité internationale de la gastronomie et du vin ist Dijon so etwas wie die Welthauptstadt der Gastronomie, und das zurecht.

Unsere Highlights:

-              BHV an der Place de la Libération, mit feinem Essen und toller Kulisse;
-              Crêperie Mon amie Suzette, für gleichnamige brennende Köstlichkeiten;
-              Trinidad Bar beim Theater, ein besonders bunter und freundlicher Ort;
-              Cave de la Cité, für ein entspanntes Wein-Tasting (und dieser Käse!);
-              Paulette, Burgundische Küche mit Twist;
-              La Buvette des Halles, Bar in der Markthalle
 
Empfehlenswert ist der «Eulen-Rundgang», um sich ein Bild der interessanten Spots der Altstadt zu machen – eine vom Office de Tourisme liebevoll zusammengestellte Runde. Achtung: Um auf den Aussichtsturm «Philippe le Bon» zu steigen, braucht es eine Reservierung. Spontan waren wir dafür zu knapp dran. Ein weiterer Grund wiederzukommen!
 
 
 

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