Erinnerungshunger
- lavieenroute
- 22. Juli
- 3 Min. Lesezeit
Eine Stadt, die ihre Identität frühestens auf den zweiten Blick preisgibt. Ein Ort, der spirituell, historisch und auch kulturell im Zentrum stand, wenn auch nicht immer freiwillig. Eine Metropole, die das Heute beherrscht und das Gestern sichtbar macht. Los geht’s mal wieder nach Polen.
Es ist 1978. In Rom wird ein 58-jähriger Bischof und Professor aus Polen zum Papst gewählt. Im gleichen Jahr wird der Stadt, wo er seinen Bischofssitz hat, der UNESCO-Welterbestatus verliehen.
Diese Stadt heisst Kraków, im Deutschen auch als Krakau geläufig. Die zweitgrösste Stadt Polens ist also ein grosser Name, wenn es um Religion und Architektur geht.
Und sonst?
Wussten wir es zu Beginn der Reise auch noch nicht so ganz genau.
Krakaus malerische Altstadt.

Ohne Zweifel ist die Altstadt von Krakau ausgesprochen sehenswert, malerisch, gepflegt, von einem grünen Gürtel umgeben – und sehr touristisch. Doch sobald man die Stadtmauern von aussen sieht, wird die Metropole Südpolens schwerer greifbar, staubiger, weniger prachtvoll. Krakau zeigt sein Wesen höchstens auf den zweiten Blick.
Was man dann entdeckt, ist sehr vielfältig.
Einerseits zeigt sich, dass Krakau eine Stadt am Wasser ist. Der Fluss Wisła (a.k.a. Weichsel) teilt die Stadt in der Mitte und bietet die Möglichkeit für ausgedehnte Spaziergänge oder Bootsfahrten. Der Frühsommertag, an dem wir uns an der Wisła aufhalten, lässt uns aber verstehen, weshalb das Ufer nicht belebter ist: Es fehlt uns der Schatten – wirklich erfrischend ist die Nähe zum Wasser also nicht.
Was uns Krakau ebenfalls zeigt, ist seine historische Diversität. Der Stadtteil Kazimierz etwa war ursprünglich ein Zentrum jüdischen Lebens. Auch heute noch leben jüdische Menschen in Krakau, jedoch ist es nur noch ein Bruchteil der ursprünglichen Bevölkerung. Vor dem Zweiten Weltkrieg haben fast 70'000 Jüdinnen und Juden in Krakau gelebt, heute ist diese Zahl noch knapp vierstellig. Das überrascht kaum, denn das Vernichtungslager Auschwitz lag nur rund 70 km von Krakau entfernt. Dem Besuch der heutigen Gedenkstätte widmen wir demnächst einen eigenen Beitrag.
Eines der berühmtesten Fabrikgebäude der Welt.

In der Stadt selbst gedenkt man auf Hollywood-Niveau. Denn einen halbstündigen Spaziergang von der Innenstadt entfernt liegt eine der bekanntesten Fabriken der Geschichte, die durch den Film «Schindlers Liste» weltberühmt wurde. Die «Deutsche Emaillewarenfabrik (DEF)», kurz auch «Emalia» liegt dort, der Geschäftsführer Oskar Schindler rettete trickreich und mutig rund 1'200 jüdische Menschen vor der ansonsten sicheren Deportation. Die Fabrik ist heute ein Museum, das sich mit der deutschen Besatzung Krakaus beschäftigt.
Auch Foodies kommen in Krakau auf ihre Kosten. Beinahe ein Muss sind Pierogi, also gefüllte Teigtaschen und so etwas wie das polnische Nationalgericht. Es gibt sie mit Fleisch, Käse oder auch vegan mit Spinat und/oder Kartoffeln – wahlweise als Snack oder auch als komplettes Abendessen. Doch auch etwas ausführlichere Gerichte wie Rouladen, Suppen, Pilze oder auch Bajgiel (genau, Bagels) finden sich im Angebot. Und natürlich auch weniger regionale Gerichte wie Smash Burger oder sonstige Trends, wie eigentlich in jeder grösseren Stadt.
Für wen ist Krakau sonst noch ein spannendes Reiseziel? Sicher für alle Geschichtsinteressierten. Denn die Universitätsstadt hat sichtbar viel erlebt, politisch, religiös, kulturell. Doch auch Backpacker wissen Krakau sicher zu schätzen, denn das Preisniveau ist weitgehend auf einem vernünftigen Niveau geblieben, ausserdem ist Krakau mit vielen Verkehrsmitteln leicht erreichbar. Und rund 130'000 Studierende tragen natürlich positiv zur Atmosphäre in der Stadt bei - auch wenn Krakau definitiv keine Nonstop-Party-Metrolope ist. Zum Glück.
Keine Party, eher grosses Kino: Krakaus Hauptmarkt.

Gut zu wissen
Krakau ist ein Verkehrsknotenpunkt im südlichen Polen. Die Flugdauer ab Zürich liegt bei rund 2 Stunden, die Swiss bedient die Strecke direkt. Geduldige Bahnfahrende erreichen Krakau ab Zürich in rund 14 Stunden mit einer Verbindung durch Deutschland und Tschechien. Wer auf das Auto Wert legt, muss mit rund 13 Stunden reiner Fahrzeit für die etwa 1'300 km ab Zürich rechnen.
Untergekommen sind wir im Indigo Old Town Hotel, das sehr zentral am Rand der Altstadt liegt. Auch wenn uns die Zimmer sehr klein schienen, ist das Indigo eine gute Basis, von der aus die meisten relevanten Orte zu Fuss erreichbar sind.
Für das Schindler-Museum ist es empfehlenswert, schon einige Zeit vor der Reise Tickets zu besorgen – das geht online über die Seite des Museums.
Essen in Krakau bedeutet die Qual der Wahl. Uns sind diese Adressen gut in Erinnerung geblieben:
Kluska na Placu: Ein freundliches Restaurant in der Altstadt mit traditioneller polnischer Küche mit elegantem Touch. Schöner Innenhof.
Przystanek Pierogarnia: Eine kleine auf Pierogi spezialisierte Kette – lecker und unkompliziert.
Gossip Café: Kleines gemütliches Café ausserhalb der Altstadt zum Frühstücken und Mittagessen.
Mo-ja Café & Bistro: Brunch-Spot und auch ein guter Ort für eine Kaffeepause zwischendurch.
Filthy: Für Smash-Burger- und andere Fast-Food-Cravings.
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