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Go West!

  • lavieenroute
  • 1. Jan. 2024
  • 4 Min. Lesezeit

I'm a poor lonesome cowboy,

But it doesn't bother me.

(Lucky Luke)

Das Gewusel von Austin haben wir längst hinter uns gelassen. Gemütlich rollen wir durch die Hügellandschaft westlich der Hauptstadt, wo die Spuren deutscher Einwanderung noch sichtbarer sind als im Biergarten, in dem wir den Vorabend verbracht haben. In der Nähe des «Marktplatzes» des Städtchens Fredericksburg füllen wir unsere Kaffee- und Benzin-Vorräte auf und fahren weiter. Wir fragen uns, ob die rapide fallende Temperatur es wohl erforderlich macht, unseren Allradantrieb auszuprobieren. Bei noch 3°C (ja, wir sind noch immer in Texas) erreichen wir schliesslich die Interstate 10, diesen endlosen Highway, der Florida mit Kalifornien verbindet und Texas einmal durchquert. Hier werden wir lang bleiben und dabei beobachten, wie sich die Landschaft langsam verändert, rauer wird, karger wird.  

 

Schlagartig ändert sich das Licht. Der graue Interstate-Himmel weicht strahlendem Sonnenschein. Bei Fort Stockton, tief im tiefen Texas, beginnen wir die für heute letzte Etappe. Für die historische Route 66 ist auf unserem Roadtrip kein Platz, aber immerhin kennen wir jetzt die Route 67, die uns zu unserem heutigen Ziel führt, zum Städtchen Alpine. Dort treffen wir an: dutzende absurd grosse Pick-up-Trucks, mindestens ebenso viele Cowboyhüte, zwei Tankstellen, jeweils ein Restaurant, Reifenhändler, Traktorwerkstatt und (wirklich) eine Universität. Und unser Hotel. Jeden Moment erwarten wir, dass die Daltons oder Lucky Luke um die Ecke kommen.
 
Wir verbringen den Abend im führenden Restaurant der Stadt, geniessen die ehrliche, gute Küche und rüsten uns für den nächsten Tag mit einigen Lebensmitteln aus. Denn dann haben wir eine längere Tour geplant.

 

Früh am Morgen zeigt sich die texanische Wüste neblig und kalt. Alpine ist plötzlich weit weg, und das gilt auch für jede andere Spur von Zivilisation. Über fast 100 Kilometer begegnet uns auf der Strasse kein anderes Fahrzeug. Weite, Leere, Ruhe. Und immer wieder Nebelbänke, die kaum eine normale Fahrtgeschwindigkeit erlauben. Macht nichts, denn dafür fahren wir immer wieder über den Nebel hinaus und staunen über das verwunschene Licht des tiefen Südens.

Sonne, Nebel, Stille: schüchternes Licht auf dem Weg zum Big-Bend-Nationalpark.

 
Wir kommen unserem Ziel näher, Meile für Meile, Kurve für Kurve. Ein drastisches Tempolimit ist unser Signal, dass wir es nun geschafft haben zur Grenze des Big-Bend-Nationalparks. Benannt ist dieser Park nach einer Biegung des Rio Grande, der gleichzeitig die Grenze zu Mexiko bildet. Hier in der Chihuahua-Wüste gibt es vor allem nichts. «Splendid Isolation» ist das Motto des Parks, Abgeschiedenheit sein deutlichster Wesenszug.
 
Was wir antreffen, ist immerhin ein gut ausgestattetes Informationszentrum mit freundlichen Rangers, die uns mit Informationen und Kartenmaterial versorgen, so dass wir gespannt unser blechernes Ross wieder in Bewegung setzen und entschlossen sind, die entferntesten Teile dieses abgelegenen Schutzgebiets zu entdecken.

 

Schon der erste Stopp ist eine Grenzerfahrung. Direkt am Rio Grande beginnt ein kleiner Wanderweg in einen Canyon, der die Grenze zwischen den USA und Mexiko bildet. Wir lassen die Landschaft und die Geschichte auf uns wirken und bewegen uns weiter durch den Park. Markante Gesteinsformationen, Kakteen und immer wieder: Weite. Nebenbei kreuzt ein Rennkuckuck unseren Weg, später auch ein Kojote. Immer wieder erlaufen wir uns die Wüste und begeben uns dann in einen anderen Teil des Parks.

Der Felsen links gehört zu Mexiko, der Felsen rechts zu den USA: Grenzerfahrungen im Park.

Angesichts der unglaublichen Leere dieser Region kommen wir ins Nachdenken: Was bedeutet eine Staatsgrenze schon an solch einem Ort? Sehen denn mexikanische Kakteen nicht genauso aus wie texanische? Weshalb grenzen sich Menschen immer dann mit allergrösster Anstrengung ab, wenn der, die oder das «Andere» einem selbst besonders ähnlich scheint? Und wäre nicht die Idee eines grenzüberschreitenden Parks, gemeinsam verwaltet, wie es sich schon Roosevelt in den 1940er Jahren ausgedacht hatte, das richtige Modell für dieses leere Wunder der Natur?
 
Weite.


Am späten Nachmittag wird es Zeit für uns, wieder unser temporäres Zuhause in Alpine anzusteuern. Vorbei an einem Checkpoint der Grenzbehörden rollen wir gelassen durchs Nichts. Bis zwei schwarze Punkte rapide über die Strassen rennen. Wir schauen uns diese Punkte im Gebüsch genauer an, werden entsetzt angegrunzt und haben soeben die Bekanntschaft zweier «Javelinas» gemacht, einer in der Region verbreiteten Wildschweinsorte.

 

Alpine erscheint uns plötzlich erstaunlich urban. Wir tanken den Mietwagen voll und denken schon wieder daran, dem Wilden Westen den Rücken zu kehren. Doch wir haben noch einiges vor in Texas – mehr darüber demnächst an dieser Stelle!
 
Gut zu wissen

In der Big-Bend-Region ist die touristische Infrastruktur nicht besonders dicht. Nah am Park liegt das Dorf Marathon, etwas mehr Leben bietet das Städtchen Alpine, auch wenn es rund 90 Minuten vom Parkeingang entfernt liegt. Wir blieben im Hampton Inn, was sich als solide Wahl herausgestellt hat. Die wahrscheinlich positivste Überraschung in Alpine ist das Reata Restaurant: unkompliziert, freundlich, lokale Küche.

Der Big-Bend-Park selbst ist mit dem Auto gut erreichbar und über verschiedene Strassen im Park gut erschlossen. Achtung: Nicht alle Strassen sind asphaltiert, je nach Strassenzustand und Wetterlage kann ein ernstzunehmender Allradantrieb erforderlich sein. Wer nur einen Tag Zeit hat, sollte zumindest den "Ross Maxwell Scenic Drive" ansteuern, der direkt zum Rio Grande führt. Tagesaktuelle Informationen und das benötigte Tagesticket gibt es im Panther Junction Visitor Center und oft auch auf der Website des U.S. National Park Service.
 
 
 

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