In Watte gepackt
- lavieenroute
- vor 6 Tagen
- 3 Min. Lesezeit
Oft ist die grösste Stadt eines Landes quirlig, vielleicht sogar chaotisch, sicher aber mit einem eher hohen Puls ausgestattet. In Litauen hingegen verhält es sich anders. Vilnius ist eine eher stille Stadt. Das macht sie jedoch als Reiseziel auf keinen Fall weniger interessant.
Sonntagmorgen in der Altstadt von Vilnius. Die Julisonne schafft ein mildes Klima und die bunten Häuser des historischen Stadtkerns sind sommerlich beleuchtet. Was in diesem Bild auffällt: Menschen sind fast keine zu sehen. Die Strassen sind still.
Psssst... Die Altstadt schläft noch.

Gut zu sehen ist darum, wie sich die Architektur in der Altstadt zusammensetzt. Nicht umsonst trägt die litauische Hauptstadt auch die Beinamen «Jerusalem des Nordens» oder «Rom des Ostens»: Die Menge an Kirchen ist unübersehbar, auch wenn die eine oder andere dieser Sakralbauten heute eher eine Crêperie oder ein Café beherbergt als den Leib Christi.
Das angepasste, vielleicht etwas konservative und kirchlich geprägte Vilnius zeigt bei genauerem Hinsehen sicherlich spektakuläre Lücken. Zwei Beispiele zeigen, dass die litauische Hauptstadt wahrscheinlich viel lebendiger und experimentierfreudiger ist, als es die leblose Sonntagmorgenstimmung vermuten lässt.
Das Herz der Republik... Užupis.

Beispiel 1: die Republik Užupis. Was sich dahinter verbirgt, ist ein Stadtteil jenseits des Flüsschens Vilnia, am Rand der Altstadt. Aus einem lange Zeit etwas heruntergekommenen Viertel ist eine Künstlerkolonie entstanden, die sich mehr oder weniger symbolisch zur unabhängigen Republik erklärte. Was folgte, ist eine Gentrifizierung, wie sie in vielen anderen Städten passiert ist. Besucht man Užupis heute, trifft man auf gepflegte Strässchen, Kunstinstallationen und freundliche Menschen in den Cafés und Bars. Kurz: Vilnius ist hier sehr viel lebendiger als in der Altstadt. Ob die Gründung einer «Republik» nicht aus Versehen zur Marketing-Strategie für einen Stadtteil geworden ist, sei einmal dahingestellt. Sicher ist, ein Besuch lohnt sich.
Beispiel 2: der Knast. Das Lukiškės-Gefängnis am Rand der Innenstadt war von 1904 bis 2019 in Betrieb. Heute ist der Gebäudekomplex ein kulturelles Experimentierfeld. Auf dem bislang nicht sanierten Areal haben sich Künstler und Unternehmen aus der Kreativbranche angesiedelt. Ausserdem scheint eine Location für Raves entstanden zu sein, so dass manche der Zellen, Flure und selbst Kapellen nun der Schauplatz ausgiebiger Partys geworden sind. Wer sich für die Geschichte des Hauses interessiert, kann an einer Führung teilnehmen – definitiv ungewöhnlich und ausgesprochen spannend.
Früher Gefängnis, heute Rave-Location.

Es lohnt sich, Vilnius genau anzuschauen – das stille Wesen der Stadt bedeutet durchaus nicht, dass die litauische Hauptstadt ein langweiliger Ort ist. Denn abgesehen vom aufgeregten Umgang mit Veränderung ist Vilnius auch eine Foodie-Destination – mehr dazu unter «Gut zu wissen».
Übrigens gibt auch ausserhalb der Hauptstadt Orte in Litauen, die aus den unterschiedlichsten Gründen sehenswert sind – wir werden diesen Ausflügen demnächst einen eigenen Blogbeitrag widmen. Denn das grösste der baltischen Länder hält so manche Überraschung bereit.
Gut zu wissen
Vilnius ist ans europäische Flugnetz gut angebunden. Direktflüge gibt es auch ab Zürich, jedoch zuletzt zu Uhrzeiten, die nicht gerade ausschlaffreundlich sind. Wer viel Zeit hat, kann auch mit dem Zug durch Deutschland und Polen anreisen und muss dann mit ca. 24 Stunden Reisezeit rechnen. Die reine Fahrzeit mit dem Auto ist etwa 18-19 Stunden für etwa 1'900 km.
Die Preise für Unterkünfte sind generell vernünftig, das gilt sogar für das «Grand Hotel», in dem wir abgestiegen sind. Dieses Haus liegt sehr zentral, ist blitzblank sauber und trotz der Lage mittendrin angenehm ruhig.
Während einiger Tage Aufenthalt haben wir einige interessante Food- und Kaffee-Adresse entdeckt:
Etno Dvaras: Litauische Spezialitäten in guter Qualität – zum Beispiel die kartoffelknödelartigen Cepelinų (Zeppeline);
Momo Grill: Jede Art von gegrillten Spezialitäten in Perfektion;
Wer dringende Pizza-Cravings hat, kann beruhigt das «Flying Tomato» ansteuern;
Coffee1: Ausgesprochen freundlicher Coffee Shop in Užupis;
Caffeine LT: Abgesehen vom Kaffee lohnt sich der Stopp bei dieser Kette für die Zimtschnecken.
Und es ist doch etwas los: Abendstimmung in der Innenstadt von Vilnius.

Comments