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Kleine Stadt ganz gross

  • lavieenroute
  • 13. Aug. 2024
  • 2 Min. Lesezeit

Oft sind Metropolen das kulturelle Zugpferd eines Landes. Auch in Estland hat Tallinn eine Menge historisches und schöngeistiges Gewicht. Doch im Rampenlicht in Sachen Kultur steht eine Kleinstadt, die für Entdecker*innen eine echte Perle ist.


Tallinn, früh an einem Sommermorgen. Es ist mild und regnet in Strömen. Uns hält das aber nicht davon ab, uns auf den Weg in eine andere Art von Kapitale zu machen, nämlich eine der europäischen Kulturhauptstädte des Jahres 2024. Unser Ziel ist die zweitgrösste estnische Stadt. Los geht’s Richtung Tartu!
 
Unterwegs dorthin verströmt die Umgebung einen Hauch von Kanada. Estland zählt etwas mehr als 1.3 Millionen Bewohnende, eine halbe Million davon in Tallinn. Daher gibt es unterwegs insbesondere eine grosse Menge an Bäumen und Elchwarnschildern. Es würde uns auch nicht überraschen, wenn plötzlich ein Bär auf der Strasse stünde.

Weite, Stille und ein nordischer Vibe

Näher an Tartu verändert sich – eigentlich nichts. Denn die zweitgrösste Stadt Estlands ist wirklich gar nicht riesig, und der Übergang zwischen Wald und den Ausläufern von Tartu kommt daher eher unvermittelt. Der erste Eindruck: gemütlich, still, malerisch, steinalt. Tatsächlich rühmt sich Tartu einer langen Geschichte, die ins 11. Jahrhundert zurückreicht. Es gilt als die älteste Stadt jener Länder, die wir heute als baltische Staaten kennen.

Tartus Rathausplatz und Aushängeschild

Tartu hat viel zu erzählen. Denn ein grosser Anteil der 90'000 Menschen, die in der Stadt leben, sind Studierende. Die Universität von Tartu ist die grösste des Landes und eine Hochschule mit einer Tradition, die ins 17. Jahrhundert zurückreicht. Tartu wird also im Lauf der Jahrhunderte die eine oder andere Party miterlebt haben.
 
Möchte man diese Minimetropole besser verstehen, hilft vielleicht ein Blick auf die Landkarte. Tartu liegt Luftlinie keine 50 km von der russischen Grenze entfernt. Und wie ganz Estland war auch Tartu lange Zeit ein Teil Russlands, bis hin zum Zerfall der Sowjetunion. Ganz so linear verhalten sich die Dinge jedoch wie so häufig in der europäischen Geschichte nicht. Denn 1920 unterzeichneten Estland, Finnland und die Sowjetunion in Tartu einen Friedensvertrag, wonach die Sowjetunion die Unabhängigkeit Estlands «auf alle Zeiten» anerkannte. Das Versprechen hielt rund 20 Jahre lang.

Hat die eine oder andere Party gesehen: die Universität, hier als Mural.
 
Im Verlauf des Vormittags spüren wir, wie Tartu erwacht. Strassenmusiker*innen erscheinen und auf einer grossen Bühne in der Innenstadt laufen die Proben für eine Musicalvorstellung am Abend. Am Fluss Emajõgi öffnet eine Bar mit Liegestühlen. Wir beginnen zu verstehen, wie das studentische Leben zur ruhigen Kulisse Tartus passt.
 
Überall in der Stadt entsteht Kunst, oder sie wird stolz gezeigt. Ein Konzert mehrerer Leierkästen gehört scheinbar auch dazu, die Meinung dazu ist sicherlich Geschmackssache – laut ist so eine Darbietung allemal.
 
Wir passen uns dem gemächlichen Rhythmus an und spazieren kreuz und quer durch die Altstadt, Parks und am Fluss entlang. Wie Tartu dieses besondere Jahr auf eine subtile Art zelebriert, ist ansteckend. Schön, wie diese Kleinstadt unaufgeregt auf der europäischen Kulturbühne in Erscheinung tritt. Denn auch viel grössere Metropolen könnten sich von Tartus inspirierender Ader etwas abschauen.

Manchmal liegt der Charme in den Details.

Mehr zum Programm der europäischen Kulturhauptstadt Tartu 2024 hier.
 
 
 

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