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Wo Dracula Party macht

  • lavieenroute
  • 4. Dez. 2024
  • 4 Min. Lesezeit

Die rumänische Hauptstadt Bukarest ist ein unterschätztes Reiseziel. Im Programm hat sie feine Balkanküche, sichtbare Geschichte, ruhige, elegante Parks und die alte Frage, ob Knoblauch gegen Vampire schützt oder doch nur gegen hohen Blutdruck.


Bukarest brummt. Spätabends am Flughafen ist viel los, bei der Fahrt in die Innenstadt ebenfalls und durch die Nacht hindurch genauso. Die nach Einwohnenden gemessen achtgrösste Stadt der Europäischen Union ist 24 Stunden am Tag in Betrieb.
 
Ausser vielleicht am frühen Samstagmorgen. Abgesehen von den Mitarbeitenden in den Bars und Clubs der Innenstadt, die die letzten Spuren einer Partynacht beseitigen (müssen), ist es ruhig. Wir sind einen Moment lang fast allein mit den Katzen Bukarests, die die Innenstadt selbstbewusst im Griff haben.

Miau.

Unser Plan für heute ist es, uns der rumänischen Kultur über die Küche anzunähern. Darum schliessen wir uns einer Foodie-Tour an, die Kulinarisches auch mit Sightseeing verbindet und uns auch an Orte führen soll, an die wir selbst nicht gekommen wären.
 
Zufrieden versorgt mit einer Sesambrezel folgen wir den Ausführungen unseres Guides, der uns nicht nur in die Theatergeschichte Rumäniens mitnimmt, sondern auch in die Zeit um die politische Wende, verbunden mit dem Ende der Sowjetunion. Mitten in der Stadt ist ein symbolischer Kilometerstein angebracht, der den Beginn des Weges Rumäniens in die Demokratie markiert – ein bemerkenswerter Ort in der Hauptstadt eines Landes, das als eines der jüngsten Mitglieder von EU, NATO und des Schengener Abkommens in den letzten Jahrzehnten sehr konsequent nach Westen geblickt hat, auch wenn die Wahlen Ende 2024 vielleicht aus Teilen der Bevölkerung ein anderes Bild zeichnen.
 
Eleganz: Bukarests Altstadt.


Nachdenklich folgen wir der neugierigen Foodie-Gruppe tief in die Strässchen des ruhigen «Armenischen Viertels» hinein. Nur ein paar Kreuzungen hinter den achtspurigen Boulevards der Innenstadt zeigt sich Bukarest ganz anders. Wundervolle Wohnhäuser aus dem 19. Jahrhundert wechseln sich mit kommunistischen Zweckbauten und topmodernen Appartementhäusern ab. Bukarest zeigt hier seine wechselvolle Vergangenheit genauso selbstverständlich wie sein dynamisches Heute. Still ist es hier, nur gelegentlich treffen wir auf Hochzeitsgesellschaften rund um orthodoxe Kirchlein, Menschen, die mit ihrem Hund spazieren gehen oder Umzugsteams, die in dieser gefragten Wohngegend am Werk sind.
 
Und dann, wieder einen Block weiter und inmitten einer Plattenbausiedlung sowjetischer Machart, wird es bereits Zeit für den nächsten Snack. Was ein bescheidener Ausdruck ist angesichts der Käse-, Aufschnitt- und Gemüseplatten, die sich vor uns aufbauen. Wir probieren uns durch uns finden viel Gefallen an einem lokalen Schafskäse, aber auch an einer würzigen Auberginencreme. Manches erinnert und an die Küche des Nahen Ostens, abgesehen davon, dass die Schinken- und Wurst-Kostproben ohne Ausnahme aus Schweinefleisch bestehen.
 
Unser Weg führt uns zum Obor-Markt ganz in der Nähe. In zwei Hallen werden prächtige Lebensmittel angeboten, aber auch Tischdecken, Waschmittel und Spielzeug. Hier teilt sich das Einkaufsverhalten zwischen den Generationen auf: Während ältere Semester traditionell auf dem Markt einkaufen, scheint die jüngere Generation auch dem grossen Carrefour-Supermarket gegenüber nicht abgeneigt zu sein. Was alle Besuchenden der Umgebung jedoch eint und vielleicht der wahre Grund für den Besuch der Umgebung ist: Mici. Kleine Hackfleischwürstchen vom Grill, serviert mit Senf und einem Stück Weissbrot, sind der eigentliche Star der Show. Für Mici frisch vom Grill stehen Marktbesuchende auch lange Zeit in der Schlange – auf die Gefahr hin, dass plötzlich alle verkauft sind. Wir sind zufrieden, geniessen unsere frischen Mici und stehen bald darauf schon in der nächsten Schlange fürs Dessert: Gogosi, die rumänische Variante des Donuts, sind fluffig-weich, nicht zu süss und runden unsere Food Experience würdig ab.

Frisch vom Grill mit jeder Menge Senf: Mici.

Die Menge an Kalorien weckt unser ungewohntes Interesse an einem ausgiebigen Spaziergang. Und so nutzen wir den verbleibenden Tag – und übrigens auch den nächsten Morgen – zum Erkunden verschiedener Stadtteile. Staunend. Denn Bukarest – von manchen auch das Paris des Ostens genannt – ist ausgesprochen vielseitig. Weitläufige Parks wechseln sich mit breiten Boulevards ab, mittendrin glänzende Neubauten, brutalistische Betonkästen und kleine orthodoxe Kirchlein. Und erstaunlich viele Menschen im Vampirkostüm, denn nur wenige Stunden Fahrt von Bukarest entfernt liegt Transsilvanien – Grund genug für die Partyszene der Hauptstadt, an diesem Halloween-Wochenende dem Grafen Dracula alle Ehre zu machen. Doch das Schloss des Grafen ist bei anderer Gelegenheit sicher eine eigene Reise wert. Vielleicht gehen wir dann vorher auf dem Obor-Markt ein paar Knollen Knoblauch einkaufen.

 

Paris des Ostens?


Gut zu wissen

Aus der Schweiz verbindet die Swiss zwei Mal am Tag Bukarest und Zürich, der Flug dauert ungefähr zwei Stunden. Eine Bahnreise über Wien und Budapest dauert rund 30 Stunden, die Autofahrt ab Zürich entlang der gleichen Strecke bedeutet etwa 20 Stunden Fahrzeit.
 
Unterkünfte in der rumänischen Hauptstadt stammen aus allen historischen Epochen, Betonhochhäuser inklusive. Wir sind mitten in der Altstadt untergekommen. Im Gebäude einer ehemaligen Bank befindet sich heute das Marmorosch Hotel – es liegt strategisch perfekt in Gehweite der wichtigsten Orte. Allerdings ist die Umgebung gerade am Wochenende auch nachts eher laut.
 
Die Food-Tour durch Bukarest haben wir über Urban Adventures gebucht – eine sehr empfehlenswerte, ausgewogene Tour für Leute, die gut zu Fuss sind.
 
 
 

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